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Ist bald niemand mehr da?

Caroline Kaiser • 24. Februar 2023

Wie Fachkräftemangel und Female Empowerment zusammenhängen

In den kommenden Wochen werden wir hier noch viele Themen im Detail auseinandernehmen. Aber jetzt fragt Ihr Euch vielleicht erst einmal: Wie ticken die von destinetChange eigentlich? Was denken die über das wichtige Thema Fachkräftemangel und die Rolle der Frauen darin?


Was bedeutet der Fachkräftemangel?


Der Fachkräftemangel ist allgegenwärtig – auch in der Kultur und mehr noch im Tourismus. Das bedeutet konkret, dass betroffene Organisationen, Institutionen und Unternehmen ihre Arbeit nicht mehr so machen können, wie bisher. Er bedeutet vor allem auch, dass neue Aufgaben nur schwer Berücksichtigung finden können. Das ist schlecht. Denn: Nur wenn wir uns mit immer neuen Entwicklungen, Fragestellungen und Themen auseinandersetzen – dem Wandel generell – und damit umzugehen lernen, bleiben wir zukunftsfähig.



Was können wir dagegen tun?


Zum einen können wir darüber nachdenken, ob unsere Arbeit veränderbar ist – unsere Prioritäten, die konkreten Aufgaben, die wir erfüllen, die Prozesse, die unser Arbeiten bestimmen, etc. Warum? Um mit weniger Menschen besser zu arbeiten. Zum anderen müssen wir uns fragen, wie wir im Wettbewerb um großartige Mitarbeitende zu den Gewinnern*innen gehören können. 
Setzen wir doch da an, dass wir die Menschen halten, die schon bei uns arbeiten und hoffen darauf, dass es sich rumspricht, wie toll es bei uns ist (dem Thema Recruiting widmen wir uns ein anderes Mal). Wie zufrieden sind unsere Mitarbeitenden? Was ist ihnen wichtig und warum möchten sie uns manchmal eben doch verlassen? Genau diese Fragen haben wir im Rahmen unserer Studie
Job und Sinn. Mitarbeiterzufriedenheit im Deutschlandtourismus gestellt.[1]



Frauen im Tourismus


Und die erste und deutlichste Erkenntnis: Von knapp 700 Befragten sind 86% weiblich. Jetzt schließt sich der Kreis. Wir sind beim Thema Frauen angekommen.

Dass der hohe Anteil weiblicher Studienteilnehmender kein Zufall ist, sondern auch die Realität abbildet, zeigt die Beantwortung der Frage nach dem Anteil weiblicher und männlicher Mitarbeitenden in den Unternehmen und Organisationen. Mehr als die Hälfte gibt an, dass der Frauen-Anteil hier bei über 75% liegt. Und wie sieht es auf der Leitungsebene aus? Im Deutschlandtourismus herrschen “verkehrte” Verhältnisse, wie in so vielen anderen Branchen auch, denn mehr als die Hälfte der Organisationen und Unternehmen, für die die Befragten arbeiten, hat eine männliche Geschäftsführung.



Frauen in der Kultur 


Vergleichbare Daten liegen uns im Bereich Kultur aktuell noch nicht vor. Daher können wir hier nur unseren Eindruck mit Euch teilen: Es gibt zunehmend mehr Frauen in Führungspositionen. Ich lehne mich jedoch mal aus dem Fenster und behaupte, dass dies nicht an verbesserten Strukturen liegt. Die Frauen haben es nicht dank des Systems geschafft, sondern trotzdem. Anscheinend reicht die heilige Aura der Kultur immer noch aus, um schlechte Bezahlung, aufzehrende Zeitverträge, nicht familienkompatible Arbeitszeitenmodelle und hierarchische Strukturen in Kauf zu nehmen.

Unser Eindruck ist des Weiteren, dass Frauen in der Kultur vor allem im „Mittelbau“ Leitungspositionen besetzen. Aber auch auf Direktions- und Vorstandsebene sieht es scheinbar ganz gut aus. Die Frage ist, ob es das auch noch tut, wenn man sich das Verhältnis von weiblichen und männlichen Studierenden der Fächer anschaut, die zu diesen Jobs führen. Das Studium geisteswissenschaftlicher Fächer wird jedes Jahr seit den späten 1990er Jahren bis heute von mindestens doppelt so vielen Frauen wie Männern begonnen. Ähnlich, wenn auch ein klein wenig besser, sieht es beim Studium der Kunst und Kunstwissenschaften aus.[2] Gleichstand würde hier also immer noch Rückstand für die Frauen bedeuten.



Ran an die Strukturen


So viele Frauen arbeiten also in Tourismus und Kultur und so viele sind – so zumindest die Ergebnisse unserer Studie im Tourismus – unzufrieden. Zwar ohne Studienergebnisse, jedoch auf Basis zahlreicher Gespräche können wir sagen: Auch in der Kultur sind nicht alle zufrieden. Welche Strukturen sind es die in unseren Organisationen Unzufriedenheit begünstigen? Hängen diese auch mit dem Thema Gleichberechtigung zusammen? Orientieren wir uns beispielhaft an den drei meistgenannten Gründen, die die Befragten in unserer Studie für einen Jobwechsel angeben:
Mangelnde Wertschätzung, schlechte Bezahlung und fehlende Entwicklungsmöglichkeiten.



Bezahlung


Schlechte Bezahlung betrifft auf den ersten Blick vor allem uns selbst. Sie entscheidet darüber, was wir uns leisten können und was nicht. Jedoch hat auch sie strukturelle Konsequenzen. Arbeitet eine Person einer Lebensgemeinschaft im Bereich Kultur oder Tourismus und der oder die Partner*in in einer anderen Branche – oftmals nach einem vergleichbaren Ausbildungsweg – werden sie aller Voraussicht nach sehr unterschiedlich bezahlt. So ist die Diskussion darüber, wer in Elternzeit und anschließend womöglich auch in eine Teilzeitbeschäftigung zurückkehrt, schnell geführt.

Bei der generellen Frage danach, was den Teilnehmenden der Studie bei einem Job wichtig ist, erscheint die Bezahlung übrigens erst an achter Stelle. Aber wenn man merkt, dass alles andere eben auch nicht so doll ist – Arbeitsatmosphäre, Wertschätzung, Spaß bei der Arbeit, & Co. - dann tut ein schlechtes Gehalt auch doppelt weh.



Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten 


Wertschätzung und Entwicklungsmöglichkeiten finden auf zahlreichen Ebenen statt. Es geht vor allem um eine Frage der Haltung aber auch um konkrete Maßnahmen. Haben beispielsweise alle Arbeitnehmenden in einer Organisation prinzipiell die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten? Gleich in dem Sinne, dass auf unterschiedliche Bedürfnisse eingegangen wird. Beispielsweise unabhängig davon, ob man in Teilzeit oder Vollzeit beschäftigt ist. Denn der Umgang mit individuellen Bedürfnissen ist auch ein Zeichen von Wertschätzung. Tatsache ist, dass diese Themen mit der generellen Unternehmenskultur zusammenhängen und diese wird maßgeblich von der Leitungsebene gestaltet. Es sind also die Menschen und ihr persönliches Mindset, um die es oftmals geht. Aber wie genau kommen diese Menschen und aufgrund welcher Kompetenzen in die Position, die sie bekleiden und wie werden sie hier auf ihre Führungsaufgaben vorbereitet? Und schon sind wir wieder bei Strukturen und Prozessen.



Let’s empower women and all of us 


Wir müssen Frauen und alle in Kultur und Tourismus unterrepräsentierten Menschen unserer Gesellschaft empowern, sie unterstützen, befähigen und ermutigen. Ja, auch auf persönlicher Entwicklungsebene, aber in allererster Linie strukturell. Erfolg darf jedoch nicht nur an den entsprechend besetzten Positionen bemessen werden. Es geht um verbesserte Bedingungen. Wir müssen Strukturen schaffen, die Diversität ermöglichen, welche die Realität unserer Gesellschaft widerspiegelt und die gangbare Wege für alle schaffen.
Wir haben also noch ein bisschen Arbeit vor uns – sonst ist bald niemand mehr da.



Möchtest Du uns Deine Geschichte erzählen? Willst Du Dich austauschen oder aktiv werden? Wir helfen Dir dabei. Wie wäre es mit einem Workshop zum Thema in Deiner Organisation? Schreib uns!


caroline.kaiser@destinet.de

 


[1] Eine vergleichbare Befragung der Mitarbeitenden deutscher Museen befindet sich aktuell in Vorbereitung.

[2] Studierende und Studienanfänger/-innen im 1. Hochschulsemester nach Fächergruppen, Hochschularten und Geschlecht
 
https://www.datenportal.bmbf.de/portal/de/Tabelle-2.5.21.html (23.02.2023)


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