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Wirklich gute Orte schaffen.

Claudia Moll • Juni 09, 2023

Placemaking als Tool für die Standort- und Destinationsentwicklung in Kultur & Tourismus. 


Im September reise ich zur Placemaking Week Europe nach Straßburg. Ein guter Ort, um sich über die Schaffung guter Orte auszutauschen, finden wir. Und ein guter Anlass, um unsere Begeisterung für das Konzept & Tool mit Euch zu teilen. Bist Du auch Macher*in und kommst vor Ort gerne ins konkrete Handeln? Dann gefällt Dir Placemaking sicher so gut wie uns. 



Was ist Placemaking? 


Placemaking ist ein Konzept zur Schaffung von lebenswerten, attraktiven und nachhaltigen Orten und in unseren Augen ein überzeugendes Tool für die kulturtouristische Destinationsentwicklung.


Ursprünglich ist Placemaking ein Konzept der Stadtentwicklung aus dem angelsächsischen Raum der 1970er Jahre. Der Begriff setzt sich zusammen aus dem Schaffen (engl. to make) von Orten (engl. places).

Beim Placemaking geht es um die Gestaltung von Orten mit


1)   Gemeinschaftsgefühl und Identität,

2)  Gestalt- und Aufenthaltsqualität,

3)  Erlebnisqualität.


Wirklich gute Orte eben.

Das erinnert an „great good places“ von Ray Oldenburg, der den Begriff des Dritten Ortes prägte.


Unter dem Motto „light, quick and cheap“, zu Deutsch leicht, schnell und günstig, setzt Placemaking auf niedrigschwellige, partizipative und iterative Maßnahmen, um gemeinsam mit den Menschen vor Ort diesen nach ihren Bedürfnissen und Wünschen zu gestalten. Stakeholder*innen sind zum Beispiel Akteur*innen aus der Kommune, ansässige Einrichtungen und Betriebe, sowie Eigentümer*innen und Anwohner*innen.


Placemaking als Bewegung


Placemaking ist mittlerweile zu einer internationalen Bewegung geworden. Das Placemaking-Handbuch „How to turn a place around“ fasst die Praxiserfahrung und Tools von „Project for public spaces“, kurz PPS, seit 1975 zusammen. Aus der Arbeit an über 3.000 Plätzen in fast 50 Ländern leitete PPS vier Schlüsselqualitäten eines guten Ortes ab. 


Die 4 Schlüsselqualitäten eines guten Ortes sind:

  • Nutzungen & Aktivitäten
  • Komfort & Image
  • Zugang & Verbindungen
  • Geselligkeit


Diesen vier Schlüsselqualitäten sind jeweils konkrete Faktoren und Messinstrumente zugeordnet. Wenn ihr hier tiefer einsteigen wollt, schaut auch am besten dieses Diagramm von PPS an.


Wie kommt man nun zu einem guten Ort?


Placemakting ist ein ortsgesteuerter und menschenzentrierter Prozess. Die fünf Phasen verlaufen nicht chronologisch, sondern iterativ, bis sich der gewünschte Erfolg einstellt.


Prozess des Placemaking als Infografik

So verläuft der iterative Placemaking-Prozess:


1. Ort & Stakeholder definieren

2. Nutzung, Verhalten und Probleme untersuchen

3. wiederholendes Vorgehen aus

  • Vision, Ideen und Maßnahmen entwickeln,
  • Prototypen und Experimente testen,
  • Wirkung und Effektivität evaluieren,

4. Ableitung der finalen Maßnahmen 


Durch den Einsatz von „Prototypen“ entstehen Parallelen zum „Design Thinking“ und dem Vorgehen beim „taktischen Urbanismus“: günstige Varianten von Möbeln, Gestaltungselementen, Bepflanzung, Beleuchtung, Aktivitäten und Events werden eingesetzt, um ihre Funktionsweise zu testen und schnelle Veränderungen im Stadtbild zu erzeugen. Sind die Prototypen und temporären Experimente erfolgreich, werden daraus langfristige (Bau-)Maßnahmen abgeleitet. 


Wir befürworten diesen zwar aufwendigeren, aber dafür nachhaltigeren Prozess in vielerlei Hinsicht. Zwei Aspekte davon sind: 


1. es wird nur gebaut, was sich bereits bewährt hat (Ressourcenschonend) und 


2. die Menschen haben im Prozess bereits eine Beziehung zu und ein Verantwortungsgefühl für „ihren“ Ort entwickelt (Sinnstiftend). 


Placemaking in Deutschland


In Deutschland gibt es derzeit noch wenige Projekte, die sich dem Placemaking-Konzept ausdrücklich verschrieben haben. Aber es lassen sich bereits vielversprechende Ansätze in der Stadtentwicklung finden. Zwei Projekte wollen wir Euch kurzvorstellen, um von der abstrakten auf die konkrete Ebene zu kommen.


Zukunft Straße

Das Modellprojekt „Zukunft Straße“ im Berliner „Graefkiez“ in Kreuzberg will die Spielstraße „kollektiv zu einem gemeinwohlorientierten Ort“ [1] entwickeln. Die Bedürfnisse der Kinder stehen dabei im Mittelpunkt. Deshalb konnten Interessierte bei den „walkshops“ der Auftaktveranstaltung im April wortwörtlich die Perspektive eines Kindes einnehmen – mithilfe von umgekehrten Periskopen.


Das Experiment halten wir für eine überzeugende Methode, um die Problematik des Status quo aus Sicht der Kinder nachzuvollziehen.


SommerZone

In Heilbronn soll die Turmstraße dauerhaft umgestalten werden. Zur Vorbereitung wurde eine "SommerZone" als temporäre Nutzungsänderung eingerichtet. Das „innerstädtisches Reallabor“ untersucht, „wie sich Besucher und Anwohner den öffentlichen Raum temporär neu aneignen“ [2], bevor die Stadtverwaltung einen freiraumplanerischen Wettbewerb auslobt.


Die SommerZone verstehen wir als sinnvollen Prototypen, um aus der temporären Intervention den tatsächlichen Bedarf ableiten zu können.



Placemaking in Kultur & Tourismus


Manche verstehen Placemaking sogar als Geschäftsmodell, indem alle Dimensionen eines Ortes so entwickelt werden, dass sie optimal ineinandergreifen – wirtschaftlich, sozial, ästhetisch und kulturell.


Ihr ahnt es, hier kommt der Kultur- und Tourismusbranche eine große Bedeutung zu.


Kulturelle und touristische Einrichtungen greifen auf vier Wirkungsfeldern im Placemaking.


Die Einrichtungen


1. nehmen Einfluss auf unseren Lebensraum, indem die Architektur und das Design ihrer Einrichtung die Atmosphäre und Aufenthaltsqualität eines Ortes mitgestaltet. Oft liegen kulturelle oder touristische Einrichtung an zentralen Plätzen einer Stadt, wie dem Marktplatz oder am Ufer. Sie fungieren oft als „Aushängeschild“.  


2. sind etablierte Nutzer*innen, oft an historisch bedeutsamen Orten. Sie bespielen und entwickeln Gebäude, Plätze, Parks und Denkmäler. Viele kulturtouristische Einrichtungen vereinen bereits in sich verschiedene Nutzungsbausteine, z.B. Ausstellungs- und Veranstaltungsräume, Shop und Café. Eine Herausforderung bilden jedoch komplexe Eigentums- und Betriebsstrukturen.  


3. sind auf vielen Ebenen für Menschen da, indem sie Gastgeber*innen sind (z.B. Leistungsträger*innen), eine Community aufbauen (z.B. der Museums-Freundeskreis) und/ oder ein Netzwerk bilden (z.B. die DMO/ Tourist Information). Sie beeinflussen damit nicht nur den Lebensraum, sondern auch die Lebensqualität vor Ort.


4. sind Identitätsstifter und Vermittler von Kultur, Geschichte & Tradition. Sie erzählen Geschichten über Orte, Menschen und Ereignisse und laden einen Ort inhaltlich auf. Städtebaulich hat das Einfluss auf das Image und den Wert einer Adresse. Gesellschaftlich gesehen transportieren sie damit Emotionen und Werte.

 


Der Ort mit Geschichte(n) und Erlebnissen

 

Wie setzen wir Placemaking nun als Tool ein?


Placemaking hilft uns in der Bestrebung, die wir seit langem im Kulturtourismus verfolgen: die Schaffung von Orten, die eine Geschichte erzählen und einzigartige Erlebnisse für Alle bieten. Erinnert ihr euch noch an den Beginn des Artikels und die vier Qualitätskriterien eines guten Ortes? 1. Gemeinschaftsgefühl und Identität, 2. Gestalt- und Aufenthaltsqualität und 3. Erlebnisqualität.


Mit der Kombination aus Placemaking, Storytelling und Experience Design zahlen wir auf genau diese drei Qualitätsmerkmale ein:

 

  • Placemaking hilft uns, die Anforderungen und Potenziale eines Ortes zu untersuchen, eine Vision gemeinsam mit den Akteur*innen zu entwickeln und mit den Zielgruppen vor Ort zu testen. Die Vision bestimmt die geplanten Nutzungen und das Gemeinschaftsgefühl.

 

  • Mithilfe von Storytelling finden und erzählen wir die Geschichte(n) des Ortes, und wecken Emotionen bei den Beteiligten. So können sich alle Stakeholder*innen mit der neuen Vision identifizieren. Beim Storydoing machen wir die Story mithilfe von einzelnen Erlebnisbausteinen erlebbar. Mit der Übersetzung der Story in Angebotsbausteine wird der Ort zum Erlebnisort.

 

  • Wir nutzen Experience Design um die Geschichten vor Ort erlebbar zu machen. Für jede Story finden wir das richtige Format und das passende Design. So nehmen die Orte eine Gestalt an, wo man gerne verweilt. Das Design und intuitives Erleben sorgen für Atmosphäre und Aufenthaltsqualität.

 

  • Die Story und Erlebnisbausteine fließen wiederum zurück in den Placemaking-Prozess. Prototypen werden getestet und angepasst, bis sich alle einig sind: das ist ein wirklich guter Ort.

 

 

 

Wollt Ihr auch „wirklich gute Orte“ schaffen? Oder seid Ihr bereits erfolgreiche Placemaker*innen?


Unsere virtuelle Tür steht Euch offen. Bitte Klingeln bei:


claudia.moll@destinet.de


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